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Die Gezeichnete Welt - Der Künstler Heinz Emigholz, 64 Min. Ein Film von Claudia Schmid WDR/3sat © 2009

 

Synopsis

„Normalerweise gibt es die Zweiwertlogik und Kausalität, die Ursache und Wirkung. Das sind so einfache Beziehungen, die ich ziemlich krude finde und die mich nicht besonders interessieren. Es gibt aber auch ganz gewiss eine Mehrwertlogik, indem auch die Erinnerungsarbeit und Denkarbeit eingebaut wird und die reale Situation sich zusammenfügt. Und das ist eine Logik, die komplex ist, und die mich interessiert.“ Heinz Emigholz
 

Schon immer haben mich Künstler interessiert, die sich tiefgreifend mit dem Wesen der Kunst und ihren Gestaltungsmöglichkeiten auseinandersetzen und solitäre Positionen in der Kunstwelt einnehmen. Als ich zum ersten Mal die „Sense of Architecture“  Filme von Heinz Emigholz sah, war ich von der Intensität und Eigenwilligkeit seiner Bildsprache fasziniert. Ich besuchte im Jahr 2008 die Ausstellung „Die Basis des Make-Up“ im Museum „Hamburger Bahnhof“, lernte Heinz Emigholz persönlich kennen und tauchte in sein vielschichtiges Werk ein. Von der ersten Sekunde an fühlte ich mich seinem Denken, seiner künstlerischen Herangehensweise und seinen Arbeiten verbunden. Die Kombination aus glasklarem analytischem Denken, Sensibilität und unverschnörkelter Poesie hat mich sofort beeindruckt.
 

Wie kaum ein Künstler hat sich Heinz Emigholz sein Leben lang immer wieder neu mit den Möglichkeiten und Gestaltungsebenen von Film und Bildfläche in Raum und Zeit auseinandergesetzt. Ihn interessieren Gedankenräume und das Verhältnis von realem und projiziertem Raum. Dabei ist das wichtigste Denk-Organ immer das Auge, diese Schnittstelle zwischen Welt und Gehirn.

Seiner künstlerische Auseinandersetzung mit der „dreidimensionale Logik“, die nicht nur die dualen Positionen unseres Denkens überwindet, sondern in den „freien Raum“ des Schöpferischen eindringt, hat mich sofort sehr interessiert. Heinz Emigholz ist einer der wenigen Künstler, die den Grenzbereich zwischen Kunst und Film immer wieder aufs Neue erforschen. Da ich selber aus der konzeptionellen Kunst komme, ist mir diese Auseinandersetzung als heutige Filmemacherin sehr vertraut.

Der Film „Die gezeichnete Welt“ zeigt verschiedene Ausschnitte seines filmischen und zeichnerischen Werkes und begleitet Emigholz durch die Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Interviews führen in seine zugrunde liegende Gedankenwelt ein und durchleuchten das vielseitige Werk des Künstlers.
 

Heinz Emigholz ist Filmemacher, bildender Künstler, Autor, Schauspieler, Publizist und Produzent. Seine ersten Filme aus den 1970er Jahren, die im Kontext des Avantgarde- und Experimentalfilms entstehen, zeigen ein kompliziertes Wechselspiel zwischen abstrakten zeitlichen und räumlichen Kompositionen – filmische Analysen von Bewegung an ausgewählten städtischen und natürlichen Landschaften. Emigholz zerlegt Schwenks, filmt verschiedene vorher festgelegte Punkte eines 180° Schwenks an einem Ort – stehende Einzelbilder - nach einem Score ab und setzt sie im Schnitt wieder neu zusammen. Er möchte „Zeitcontainer“ schaffen.
 

Ende der 70 Jahre beginnt er, sich zusätzlich intensiv mit der Vielschichtigkeit von Sprache im Verhältnis von Raum und Zeit zu beschäftigen. „Wie vorher in den Filmen die Landschaften nach den Partituren in Fixpunkte und deren Verbindungen zerlegt wurden, bekommt hier immer ein Wort eine Einstellung.“

Seine Spielfilme nehmen einen besonderen Platz in seinem Werk ein. Wenngleich sie ebenfalls die Auseinandersetzung mit Raum und Zeit thematisieren sind sie erzählerisch und weniger analytisch gestaltet – es sind einzelne Episoden, teils abstrakt, teils an biografische Erlebnisse angelehnt, die sich zu einer traumähnlichen Geschichte zusammenfügen. Dabei entziehen sie sich einer zweidimensionalen Logik und gehen frei assoziativ mit den Inhalt der Sequenzen um. Sie wirken poetisch und in eine andere Welt entrückt, dennoch spürt man die subjektive Sicht auf die damalige Zeit und Gedankenwelt wieder. Sie korrespondieren mit seinen tagebuchartigen Notizen.

Seine Zeichenserie „Die Basis des Make-Up“, die er 1974 in NY begonnen hatte und als Work in Progress weiterwächst, umfasst mittlerweile 600 Blätter. Wie viele der Filme gehen sie aus den unzähligen Notizbüchern des Künstlers hervor, in die er neben Entwürfen zu eigenen Texten Zivilisationsabfall aller Art einträgt und einklebt, auf der Straße oder beim Fernsehen aufgeschnappte Sätze, Werbung, Zeitungs-ausschnitte, Diagramme aus militärischen Lehrbüchern und private Aufzeichnungen. Die Zeichnungen sind alle in Schwarz und Weiß gehalten und werden als Fotodrucke im Format 54 x 64 cm aufgelegt. Mit seinen ungewöhnlich minimalistischen Architekturfilmen „Architektur als Autobiographie“ / „Architektur und Jenseits“, die er 1994 angefangen hat, erzielt Emigholz von Neuem Aufsehen. In chronologischer Folge zeigt er in durchkomponierten Einzelbildern alle Bauwerke von diversen Architekten, Bauingenieuren und Gestaltern, die ihn besonders faszinieren, wie Bruce Goff, Adolf Loos, Robert Maillart, Rudolph Schindler, Louis Sullivan. Auch hier verweigert er dem Zuschauer die üblich gewohnte Sicht - In ruhigen Ständen filmt er einzelne Ansichten eines jeweiligen Gebäudes, die er im Schnitt sachlich hintereinander setzt. Der Zuschauer muss nun diese Einzelbilder in seinem Kopf zu einem Ganzen zusammen setzen. Auch der Ton ist auf den tatsächlichen Geräusche vor Ort reduziert: das Klappern einer Tastatur, Wind in den Bäumen, das Motorengeräusch von einem vorbeifahrenden Auto. Emigholz hat seine Filme ausschließlich im Format 4:3 gedreht. Ihn interessiert nicht die konventionelle Rechtwinkligkeit und Zentralperspektive.
 

„Statt leerer Raum zu sein, dessen Koordinaten an den abstrakter Geometrie entlehnten Kategorien wie Horizontlinie und Fluchtpunkt festgemacht sind, ist der Bildraum in den Filmen immer schon bevölkert. Wo ein Raum ist, ist auch ein Körper, der diesen definiert, und sei es durch seine negative Form, die Abwesenheit.“

Der 1948 in Achim bei Bremen geborene Künstler hat ein umfassendes filmisches und künstlerisches Werk vorgelegt und trat in Performances und in Filmen anderer Regisseure auf. Viele Ausstellungen, Retrospektiven, Vorträge und Publikationen im In- und Ausland kennzeichnen seinen Weg. Er absolvierte eine Ausbildung zum Zeichner und Fotoretuscheur und studierte in Hamburg Philosophie und Literaturwissenschaft. 1978 gründete er die Produktionsfirma Pym Films. Seit 1993 hat er eine Professur für Experimentelle Filmgestaltung an der Universität der Künste Berlin.

Credits:

Buch & Regie: Claudia Schmid

Kamera: Susu Grunenberg

Ton: Ivonne Gärber, Oliver Lumpe

Schnitt: Oliver Held

Mischung: Imke Bartmann, WDR
Redaktion: Reinhard Wulf, WDR/3sat

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